
Adventskalender 6. Dezember // James A. Baldwin
Mit großen und kleinen Worten für mehr Gerechtigkeit.
Oder warum wir James A. Baldwin lieben.
In der Kategorie #wesensagendinge wollen wir dir berühmte Personen näher bringen, die wir für ihre kreativen Arbeiten, ihren Aktivismus und ihr Engagement bewundern und lieben. Von einem Zitat ausgehend zeigen wir dir, warum uns diese Person inspiriert. Heute: James A. Baldwin.
»People are trapped in history and history is trapped in them.«
(aus »Stranger in the Village« (1953); freie Übersetzung: »Die Menschen sind in der Geschichte gefangen und Geschichte ist gefangen in ihnen.«)
Zwischen Fanatismus, Rassismus und Homophobie
Frühe Jahre im religiösen Fanatismus
James Arthur »Jimmy« Baldwin wurde 1924 im New Yorker Stadtteil Harlem geboren. Sein biologischer Vater ist unbekannt und seine Mutter war bis zu seinem 3. Lebensjahr alleinerziehend und unverheiratet, bevor sie den Prädiger David Baldwin heiratete. James Baldwin hatte acht jüngere Geschwister. Die Familie lebte in Armut und war durch den Stiefvater fanatistisch-religiös geprägt. 1938 hatte James Baldwin ein visionäres Erweckungserlebnis, welches er in deinem autobiographischen Debütroman von 1953 »Go Tell it on the Mountain« verarbeite. Dies brachte ihn für drei Jahre selbst in die Prediger-Laufbahn bevor er 1941 mit seinem Stiefvater und der Religion brach.
Der Wunsch zu schreiben
James Baldwin schloss die Schule mit Bestnoten ab und verspürte schon früh seine Liebe für Literatur und seinen eigenen Wunsch, Schriftsteller zu werden. Als 1943 sein Stiefvater starb musste er mit zahlreichen Gelegenheitsjobs die Ernährung der Familie übernehmen. Seine erste Rezension veröffentlichte er 1946 in der Zeitung »The Nation«. Fortan machte sich Baldwin als Essayist und Kritiker einen Namen. So lernte er auch den Schriftsteller Richard Wright kennen. Er wurde sowohl literarisch als auch privat zur Vaterfigur für Baldwin. Doch schnell folgten zwei gescheiterte Roman-Versuche und der Bruch mit Wright.
Zwischen Frankreich und den USA
1948 ging Baldwin nach Frankreich ins »Selbstexil«, wie er es nannte, weil er die offen diskriminierenden Zustände in den USA nicht ertragen und dulden wollte. Frankreich wurde für ihn zu einem Ort, an dem er sich persönlich als auch schriftstellerisch frei entfalten konnte. Baldwin veröffentlichte seine ersten Romane in denen er sich thematisch immer wieder mit der fehlenden Vaterfigur, religösem Fanatismus und rassistischen und homophoben Unterdrückungsmechanismen auseinandersetzt. Gerade sein zweiter Roman »Giovanni‘s Room« wird schnell zum Vorreiter einer Schwulen- und Lesebenbewegung, noch bevor es einschlägige Kämpfe um Gleichberechtigung in den USA oder Europa gibt.
»No one can possibly know what is about to happen: it is happening, each time, for the first time, for the only time.«
(freie Übersetzung: »Kein Wesen kann wirklich wissen, was passiert: es passiert jedes Mal zum ersten Mal, zum einzigen Mal.«)
Nach fast 10 Jahren Abwesenheit kam Baldwin als bereits gefeierter Schwarzer Autor in die USA zurück. Er wurde mit seinen Schriften und Reden schnell zu einem der führenden Freiheitsaktivisten der 1950er und 1960er Jahre. Baldwin sprach und schrieb offen über die Diskriminierungserfahrungen von Schwarzen und homosexuellen Menschen. Nach den Ermordungen von Malcolm X und Martin Luther King verließ Baldwin 1970 die USA wieder und ging zurück nach Frankreich. Hier siedelte er sich in malerischen St.-Paul de Vence an, wo er 1987 an Magenkrebs verstarb. Gerade in seinem späteren Werk versucht Baldwin eine neue Ästhetik Schwarzer Identität zu entwickeln.

James A. Baldwin
Ein verletzlicher Vorreiter
Wir lieben James Baldwin, weil er mit einer wortwörtlich einschlagen Kraft Rassismus und Homophobie thematisiert. Und das in einer Zeit, als es keine bzw. kaum praktische Rechte für Schwarze und queere Menschen gab. Mit seinen teilweise autobiographischen Romanen und Essays machte er sich als Schwarzer, schwuler Autor immer wieder einem großen Publikum angreifbar. Das zeigt sich auch daran, dass Baldwins FBI-Akte der 1960er und 1970er Jahre über 1880 Seiten umfasst, während Richard Wrights nur 276 und Truman Capotes nur 110 Seiten ergeben.
James Baldwin zeigt uns in seinem Werk und mit seinem Leben, wie sehr der Mensch in der Geschichte verankert ist. Wir können immer nur in einem gewachsenen historischen Kontext leben, einer Gegenwart, die ihre eigene Vergangenheit in sich trägt. Genau wie auch die Wesen, die immer ihre eigene kleine Geschichte in sich herum tragen, um davon ausgehend unsere Zukunft gestalten zu können. Und wie wir unsere Zukunft gestalten, liegt an uns. Baldwin zeigt, dass er durch seine eine eigenen Erfahrungen, die er in sich trägt praktisch dazu gezwungen ist, seine Gegenwart dafür zu nutzen, um für sich selbst und andere eine gerechtere Zukunft zu schaffen.
»It is certain, in any case, that ignorance, allied with power, is the most ferocious enemy justice can have.«
(freie Übersetzung: »Es ist auf jedenfall sicher, dass Ignoranz, verbündet mit Macht, der grimmigste Feind ist, den Gerechtigkeit haben kann.«)
Wir lieben James Baldwin, weil er für uns zu einer der wichtigsten Stimmen des 20. Jahrhunderts gehört. Er hat sich literarische Aufmerksamkeit und Anerkennung mit der Sprache über Rassismus und Heterosexismus verschafft, also gesellschaftliche Diskriminierung und Ausschlüsse, durch die er selbst marginalisiert, verfolgt und ausgeschlossen wurde. Und dazu gehört mehr als nur Mut!
Wir empfehlen dir…
Vielleicht magst du noch mehr über James A. Baldwin erfahren? Dann haben wir hier ein paar Empfehlungen für dich:
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Als Einstieg in das literarische Werk von James Baldwin empfiehlt sich der Essay-Band »Notes of a Native Son« (1955, auf Deutsch teilweise als »Schwarz und Weiß« übersetzt) und der Klassiker der queeren Literatur »Giovanni‘s Room« (1969, deutsch: »Giovannies Zimmer«).
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Der oscar-nominierte Dokumentarfilm »I‘m not your Negro« von 2016 orientiert sich an Baldwins unvollendetem Manuskript »Remember This House« und betrachtet nicht nur Baldwins Leben, sondern auch die Geschichte von Schwarzen und People of Color seit dem Civil Rights Movement bis zur Bewegung vom Black Lives Matter.
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Ein wichtiges Stück Zeitgeschichte ist die Debatte zwischen Malcolm X und Baldwin aus dem September 1963, die ihr hier auf Youtube finden könnt. Und wenn ihr gleich einmal auf Youtube unterwegs seid, empfehlen wir euch noch Baldwins Text »The Fire Next Time«, welches von Jesse Martin gelesen wurde. Beide Videos sind auf Englisch.
Warum liebst du James A. Baldwin?
Verrate es uns doch in den Kommentaren.
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