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Wenn wir uns Geschichten erzählen 1024 614 WESENsART

Wenn wir uns Geschichten erzählen

Am 20. März ist Weltgeschichtentag

Erzählungen, Märchen, Sagen, Legenden, Krimi, Romanze, Historie, Gedichte – egal welche Textform, egal welcher Inhalt: Wir sind alle schon mit unzähligen Geschichten in Berührung gekommen. Von klein auf spielt das Eintauchen in bisher unbekannte Welten eine große Rolle für uns. Ob wir dabei vorgelesen bekommen, selber zum Buch greifen und (vor-)lesen, im Fernsehn oder auf der Kinoleinwand zwischen Blockbuster oder Independent-Film entscheiden oder unsere aktuelle Lieblingsserie verfolgen, spielt zunächst keine Rolle. Was uns zu fesseln scheint, sind die Erfahrungen, die wir machen, wenn wir in einer Mischung aus Neugier und Faszination für uns neue Welten, Begebenheiten und Wesen kennenlernen. Geschichten regen unsere Vorstellungskraft an, geben uns Handlungsanweisungen für den Alltag oder erschaffen für uns Vorbilder, denen wir nacheifern wollen.

Weltweit gibt es unzählige Geschichten und verschiedene Formen, wie sie über die Zeit hinweg überliefert wurden und werden. Um sich dem Phänomen der Geschichte zu nähern und in einen globalen Austausch zu kommen, wird am 20. März seit 2004 der Weltgeschichtentag begangen. In diesem Jahr soll sich alles rund um das Thema VERWANDLUNG drehen. Der Schwerpunkt liegt auf mündlich-überlieferten und weiter getragenen Geschichten. Das gegenseitig Erzählen und Zuhören steht im Mittelpunkt. Dazu finden verschiedene Veranstaltungen in den Ländern statt, die sich in diesem Jahr am Weltgeschichtentag beteiligen wollen. Eine Übersicht für Deutschland findet ihr hier.

WESENsART | Weltgeschichtentag. Wesen vor Pflanze liest ein Kinderbuch

Wie vielfältig allein eine Geschichte sein kann, merken wir daran, dass sie immer unterschiedlich erzählt wird. In ihren mündlichen Formen sind Erzählungen immer einem Wandel, einer Neuerung, einem Auslassen unterworfen, da gerade im erlebten Moment die Einzigartigkeit besteht. Auch können viele Geschichten über ein Ereignis oder ein Geschehen erzählt werden und sich im Laufe der Jahre wieder verändern. Viele Erzählungen, zum Beispiel Mythen, werden heute immer noch erzählt oder eben neu erzählt – ganz so, wie die jeweilige Zeit gerade auf die Handlung und Figuren blicken möchte oder was sie ihn ihnen sehen will. Wie bei fast allen Geschichten kommt es darauf an, wer uns hier was worüber erzählt.

Wie wir Geschichten erzählen und von wem wir sie hören

In den Welten von Geschichten suchen wir Anknüpfungspunkte für unseren Alltag und unsere eigenen Lebenswelten. Dieses Moment der Identifikation schafft für uns einen Bezug, der uns Vorbilder, Held*innen und Handlungshinweise geben kann. Und genau an diesen Punkten müssen wir ansetzten und uns einmal näher anschauen, wer in welchen Erzählungen als handelnd auftritt, welche Geschichten erzählt werden und welche Bilder und Eindrücke dadurch vermittelt werden. Es kommt auf die Perspektive des Erzählten an und wer wie repräsentiert wird.

WESENsART | Weltgeschichtentag. Wesen zwischen Blumen lesen Kinderbücher

Dass das nicht unproblematisch ist, zeigt sich zum Beispiel an Geschichten, die im deutschen, europäischen oder US-amerikanischen Kontext über Leben und Historie in »Afrika« erzählt werden. In ihrem beeindruckenden TED-Talk »The danger of a single story« spricht die Schriftstellerin Chimamanda Ngozi Adichie über einseitige, klischee-geladene Darstellungen, die dazu führen, rassistische Stereotype zu konstruieren und weiter zu tragen. Sie plädiert für eine Perspektiven-Vielfalt auf Sachverhalte, Geschichte und Figuren, gerade wenn sie an scheinbare »reale« Begebenheiten angelehnt sind. In vielen Erzählungen über Leben_sweisen auf dem afrikanischen Kontinent bedienen weiße priviligierte Autor*innen ein einseitiges Narrativ, das dazu führt, koloniale Sichtweisen auch heute noch zu verstärken. Oftmals wird das »Fremde«, das außerhalb des eigenen Erfahrungsbereiches vieler Leser*innen und auch Autor*innen liegt, als das »wilde« und »exotische« »Andere« dargestellt. Damit werden keine phantastische und spannende Welten geöffnet, sondern immer noch Machtverhältnisse und Überlegenheitsgedanken aus der europäischen Kolonial_geschichte verstärkt und weitergetragen.

WESENsART | Weltgeschichtentag. Wesen vor Pflanze liest ein Kinderbuch

In Deutschland gibt es in den letzten Jahren eine hitzige Debatte über Repräsentationen, Darstellungen und Sprache vor allem in Kinderbüchern. Die Meinungen reichen dabei von (scheinbarer) Zensur über kritischen Umgang bishin zum Ignorieren. Ein wichtiger Schritt ist, stereotype und diskriminierende Darstellungen nicht klein zu reden, sondern sich mit rassistischen Realitäten, vor allem im Erzählen und Weitertragen von Geschichten, auseinanderzusetzen. Und das nicht nur am 21. März, dem Internationalen Tag gegen Rassismus, sondern an allen Tagen im Jahr. Welchen Einfluss Geschichten dabei auf unsere Wahrnehmung, unser Verständnis von Normalität haben und welche Werte in ihnen wie gesetzt werden, hat die damals 9-Jährige Ishema Kane 2013 in einem Leser*innenbrief an die ZEIT verdeutlicht.

Um auf vielfältige Darstellungen von Leben_sweisen in Kinderbüchern aufmerksam zu machen, hat die Initative intersektionale Pädagogik (kurz i-PÄD) eine Übersicht erstellt, die verschiedene Bücher für unterschiedliche Altersgruppen umfasst. Ziel ist es, nicht die diskriminierenden Negativ-Beispiele zu zerreißen, sondern positive Alternativen in den Fokus zu rücken. Wir wollen euch die Kinderbuchliste von i-PÄD sehr ans Herz legen, wenn ihr auf der Suche nach tollen Geschichten (nicht für Kinder) seid!

Geschichten, die uns immer wieder bewegen

Auch unsere Wesen und wir sind große Liebhaber*innen von vielfältigen, spannenden und berührenden Geschichten. Im Folgenden wollen wir euch drei (Kinder-)Bücher vorstellen, die uns teilweise schon sehr lange begleiten und uns nicht mehr loslassen wollen.

Auf der Suche nach Mister 2000.
Rico, Oskar und die Tieferschatten (Andreas Steinhöfel)

Rico ist ein tiefbegabter Junge. So bezeichnet er sich selbst. Denn was kann er denn dafür, dass in seinem Kopf öfter mal alle Kugeln durcheinander geraten und dann einfach gar nichts mehr geht? Leider hilft das nicht unbedingt beim Freund*innenschaften schließen. Bis er Oskar trift. Der ist hochbegabt und hat eigentlich auch keine Freund*innen. Doch zusammen können sie die aufregensten Krimi-Fälle lösen: von der rätselhaften Fundnudel bis zu Mister 2000, der in Berlin schon mehrere Kinder entführt hat …

»Rico, Oskar und die Tieferschatten« ist der erste Teil von Andreas Steinhöfels Buchreihe über zwei Jungs, die sich ergänzen, sich gegenseitig bestärken und zusammen Abenteuer erleben. Gemeinsam lösen sie sich aus ihrern Außenseiter-Rollen und gehen die großen Rätsel selbst an. Egal ob tiefbegabt oder hochbegabt, hier wird eine bestärkende Geschichte erzählt, in der sich alle mit ihrem Können selbstermächtigt einbringen. Das die beiden dabei noch aus diversen Familienverhältnissen kommen und immer wieder auf ganz verschiedene Mieter*innen im Berliner Wohnhaus treffen, zeigt, dass hier verschiedene Lebensweisen und Hintergründe spielend mit eingebaut sind. Andreas Steinhöfel hat ein Leseerlebnis geschaffen, das zum lauten Lachen, leisen Träneverdrücken und beglücktem Zurücklehnen einläd – und das, egal wie alt ihr seid!

Wer keine Lust auf Lesen hat oder keine Person finden, die vorlesen mag, kann auch auf die Verfilmung des Buches durch Neele Vollmaraus von 2014 zurückgreifen.

»Rico, Oskar und die Tieferschatten« (2008) von Andreas Steinhöfel gibts als Taschenbuch für 6,99 € bei Carlsen.

WESENsART | Weltgeschichtentag. Wesen vor Pflanze liest ein Kinderbuch

Wie Geschichten die Welt erträglicher machen.
Nuri und der Geschichtenteppich (Andrea Karimé, Annette von Bodecker-Büttner)

Nuri ist erst seit kurzem in Deutschland und hat einige Probleme in der Schule. Die Mitschüler*innen sind nicht die nettesten und die Lehrer*innen behandeln sie auch komisch. In Briefen an ihre Tante, die sie bei der Flucht im Irak zurücklassen mussten, kann sie ihr Herz ausschütteln. Doch dann bekommt Nuri endlich wieder einen Geschichtenteppich – und darin entdeckt sie schaurige Wesen mit spannenden Abenteuern.

»Nuri und der Geschichtenteppich« ist eine berührende, lustige und spannende Erzählung über ein junges Mädchen, das sich nach der Flucht mit ihren Eltern in Deutschlnd zurecht zu finden versucht. Und eine Geschichte über die wundersamen Kräfte von Geschichten und wie sie Menschen verbinden. Eine tolle Erzählung von Andrea Karimé mit zauberhaften Bildern von Annette von Bodecker-Büttner.

»Nuri und der Geschichtenteppich« (2006) von Andrea Karimé und Annette von Bodecker-Büttner gibt es für 14,00 € beim Picus-Verlag.

WESENsART | Weltgeschichtentag. Wesen zwischen Blumen lesen Kinderbücher

Im Hundertsechzig-Morgen-Wald gibt es etwas zu erleben.
Pu der Bär  (Alan Alexander Milne)

Die Geschichten rund um den gelben Stoffbär – denn die hört der Bär am liebsten »diese Sorte von Bär ist er« – und seine Freund*innen Ferkel, Eule, Kaninchen, I-Ah, Känga, Ruh und Tieger sind längst legendär. Und doch berühren sie eine*n jedes Mal aufs Neue, weil so viel Wahrheit in ihnen steckt. Sei es in den Charakteren, die so liebevoll gestaltet sind, dass sich jede Person in dem ein oder anderen wieder findet. Oder die Abenteuer, die es zu bestehen gilt – wie ein Heffalump fangen oder ein Wuschel … oder die Expedition zum Nordpol – und dabei über den ein oder anderen Schatten gesprungen werden muss. Immer dabei – Christopher Robin. Ihm gehört Winnie-der-Pu. Und für ihn erzählt A. A. Milne diese Geschichten und all den anderen Kindern, die wissen, dass in Stofftieren Leben steckt.

Puh der Bär von Alan Alexander Milne und wunderschönen, farbigen Illustrationen von Ernest H. Shepard ist 2014 bei Dressler für 16,99 € in einer Neuauflage erschienen.

WESENsART | Weltgeschichtentag. Wesen auf der Wiese lesen Kinderbücher

Welche Lieblings-Geschichte aus Kindertagen oder aus der jüngsten Vergangenheit wollt ihr gerne teilen?
Was gefällt euch besonders daran? Und von wem habt ihr sie gehört?
Hinterlasst uns doch eine Hör- oder Leseempfehlung in den Kommentaren oder schreib uns eine E-Mail.

Wir werden jetzt den Weltgeschichtentag feiern und uns heute die ein oder andere Geschichte vorlesen.

(Hinweis: wir haben für die Buchvorstellungen kein Geld bekommen und empfehlen sie einfach deshalb, weil wir diese Bücher lieben und uns freuen, wenn andere davon erfahren und sie vielleicht auch mal lesen und/oder weiter empfehlen.)

WESENsART | Weltgeschichtentag. Wesen vor Pflanze liest ein Kinderbuch

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5 Kommentare
  • Franzi

    Leider nicht schriftlich dokumentiert, aber ein entscheidender Indikator für meine heutige Sicht auf die Welt: die unzähligen Geschichten, die meine Oma meiner Schwester und mir über die zwei ungleichen Freunde „Fritzchen und Paul“ erzählte. Alle ausgedacht und immer sehr stark an aktuelle Ereignisse angelehnt. Kaum eine andere Erinnerung hinterlässt so ein Lächeln auf meinen Lippen. 🙂

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