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Wir de-konstruieren Gender mit Judith Butler 1000 600 WESENsART
Judith Butler sagt: »Very masculine and feminine roles are not biologically fixed but socially constructed.«

Wir de-konstruieren Gender mit Judith Butler

Das Unbehagen der Über-Philosophin

Judith Butler zwischen queerem Feminismus, Gender Studies und gewaltfreier Ethik

In der Kategorie #wesensagendinge wollen wir dir Personen näher bringen, die wir für ihre kreativen Arbeiten, ihren Aktivismus und ihr Engagement bewundern und lieben. Von einem Zitat ausgehend zeigen wir dir, warum uns diese Person inspiriert. Heute: Judith Butler.

»Very masculine and feminine roles are not biologically fixed but socially constructed.«

(aus: »Undoing Gender«, 2004; freie Übersetzung: »Sehr männliche und weibliche Rollen sind nicht biologisch fest, sondern sozial konstruiert.«)

Ein Leben für den Diskurs

Philosophie von klein auf

Judith Butler wurde am 24. Februar 1956 in Cleveland im US-Bundesstaat Ohio geboren. Sie wuchs in einer praktizierend jüdischen Familie auf. Ein akademisches Umfeld gab es schon von Beginn an, denn ihre Mutter war Wirtschaftswissenschaftlerin und ihr Vater Zahnarzt. Judith Butler besuchte eine jüdische Schule, lernte Hebräisch und bekam zusätzlich noch Unterricht in jüdischer Ethik. Später bezeichnete sie diese Stunden als ihre erste philosophische Schulung. Schon mit 14 Jahren begann sie, sich intensiv mit Schriften von Spinoza oder den Aufklärungsphilosophen Locke und Montesquieu auseinander zu setzen.

Bis 1982 studierte Judith Butler Philosophie an der Yale University. Sie beschäftigte sich dort vor allem mit den Theorien von Marx, Hegel, Heidegger und der Frankfurter Schule. Nach ihrem Fulbright-Stipendium in Heidelberg rückte immer mehr der Deutsche Idealismus des 19. Jahrhunderts in ihr Interesse. Nach dem Studium begann sie zunächst eine Lehrtätigkeit an der Yale University und schrieb ihre Dissertation über Begierde bei Hegel und unter anderem Sartre. Es folgten bis heute mehrere Assistenz- und Gastprofessuren an verschiedenen Universitäten.

WESENsART – Mika - ein blaues, knubbeliges Wesen hat eine Fahne in der Hand. Die Farbkombination steht für Pride / LGBTI

Pride / LGBTI

Der akademische Durchbruch

International bekannt wurde Judith Butler 1990 mit ihrem Werk Gender Trouble (dt.: Das Unbehangen der Geschlechter). Sie verbindet darin Vorstellungen von Identität und Gesellschaft des Idealismus mit Ansätzen des Poststrukturalismus immer unter dem Fokus Geschlecht, Geschlechtsidentität und sexueller Vielfalt. Schon in den 1990er Jahren fand ihre Arbeit international Aufsehen und wurde sowohl heftig gefeiert als auch kritisiert. Bis heute hat Judith Butler mit ihren Arbeiten eine umfassende feministische Diskurstheorie entwickelt. Sie legte damit unter anderem den Grundstein für queer theory und die breite gesellschaftliche Akzeptanz der Gender Studies. Sie hinterfragt dabei immer wieder Denkgewohnheiten und deckt damit gesellschaftliche Konstrukte auf, die bisher als »natürlich« angenommen wurden. In den letzten Jahren legte sie einen großen Schwerpunkt auf eine Ethik der Gewaltlosigkeit.

»There is no original or primary gender a drag imitates, but gender is a kind of imitation for which there is no original.«
(aus: Gender Trouble, 1990; freie Übersetzung: »Es gibt kein ursprüngliches oder primäres Geschlecht, dass Drag imitiert, weil Geschlecht schon eine Imitation an sich ist, für die es kein Original gibt.«)

Butlers Thesen im Überblick

Um einen kleinen Überblick über ihre philosophischen Schriften zu bekommen, haben wir ein paar Thesen zusammengefasst. Dabei erheben wir keinen Anspruch auf Vollständigkeit.

Wir leben in einer heteronormativ-konstruierten Welt.

Judith Butler arbeitet in ihren Werken heraus, dass wir (im weißen-westlichen Kontext) in einer Welt leben, in der die Annahme besteht, dass es einen unmittelbaren Zusammenhang zwischen sex (»körperliches« Geschlecht), gender (»soziales« Geschlecht) und desire (Begehren) gibt. Das heißt, wenn einem Menschen beider Geburt gesagt wird, das ist ein Mädchen (sex), dann werden an diesem Menschen im Laufe des Lebens Anforderungen gestellt, ein Mädchen zu sein (gender). Diese Anforderungen finden sich in Spielzeug, Kleidung, Verhaltensweisen, Interessen und vielem mehr. Außerdem wird automatisch angenommen, dass dieser Mensch als Mädchen auch einen Jungen begehrt (desire). Dieses Zusammenspiel beschreibt Butler als heteronormative Matrix, die immer um uns herum ist und alle gesellschaftlichen Vorstellungen durchzieht. Dadurch werden queere Menschen automatisch ausgeschlossen und als nicht-menschliche Andere angesehen.

Der Körper ist normativ konstruiert.

Alle Menschen nehmen einander wahr und interagieren miteinander. Dabei ist der Körper eines der ersten und grundlegendsten Dinge, die wir voneinander wahrnehmen. Menschen bestimmen durch die heteronormative Matrix in ihrer Wahrnehmung einer fremden Person zuerst das Geschlecht. Dabei gibt es in der Matrix nur die Option männlich oder weiblich. Das läuft bewusst oder meist unbewusst ab und diese Wahrnehmung lernen wir von klein auf. Um als Körper und damit als Mensch von anderen anerkannt zu werden, müssen wir heteronormativen Vorstellungen entsprechen. Demnach werden auch von Anfang an an alle Körper Anforderungen von sex, gender und desire gestellt, um als menschlich anerkannt zu werden.

Geschlecht wird performt.

Um anerkannt zu werden, müssen wir ständig unser Geschlecht unter Beweis stellen. Das tun wir, indem wir entsprechende Anforderungen erfüllen – indem wir uns nach Vorstellungen von weiblich und männlich kleiden, uns verhalten und so weiter. Butler spricht hierbei von doing gender, also wörtlich »Geschlecht machen« und dem performativen Akt von Geschlecht. Dadurch, dass wir diese Anforderungen bedienen, unterstützen wir das heteronormative-Regelsystem und erhalten das Machtgefüge aufrecht.
Wir können diese Vorstellungen auch unterwandern, in dem wir bewusst Geschlechts-Markierungen »falsch«, also nicht der Vorstellung entsprechend, verwenden. Diese subversive Kraft der Performance sieht Butler zum Beispiel im Drag.

Sprache hat eine performative Macht.

Eine Form, um Geschlecht zu performen, ist Sprache. Neben der Wahrnehmung des Körpers ist jede Form von Sprache grundlegend für Interaktion. Mit Sprache werden Begriffe und Vorstellungen benannt. Dadurch hat Sprache eine große Macht. Sie regelt unsere Welt, indem sie das für uns greifbar macht und mit Worten benennt, was wir um uns herum wahrnehmen. Durch die Matrix werden nur heteronormativ »richtige« Dinge benannt. Für alle Abweichungen gibt es meist keine Bezeichnungen oder keine positiven Bezüge. Dadurch wird queeres Leben konsequent abgewertet und unsichtbar gemacht. Ein Beispiel dafür ist die Verwendung von »schwul« als Schimpfwort.
Gerade in einem bewussten und sensiblen Sprachgebrauch liegt nach Butler eine große performative Macht, um gegen Machtsysteme anzutreten.

»There is no gender identity behind the expressions of gender… identity is performatively constituted by the very ‘expressions’ that are said to be its results.«
(aus: Gender Trouble, 1990; freie Übersetzung: »Es gibt keine Geschlechtsidentität hinter dem Ausdruck von Geschlecht. Identität ist genau durch den »Ausdruck« performativ konstituiert, den sie eigentlich verdeutlichen soll.«)

Kontroversen um die Philosophin und Aktivistin

Doch Judith Butler ist nicht nur feministische Theoretikerin, sondern auch Aktivistin. In den 1980er Jahren engagierte sie sich gegen heterosexisitische Stimmungen während der AIDS-Krise. Sie ist Mitglied der jüdischen Reformgemeinde und unterstützt die Boycott,-Divestment-and-Sanctions-Kampagne im Israel-Palästina-Konflikt. Für ihr Engagement und ihre Stellungnahmen zu dem Konflikt wurde sie mehrfach kritisiert, zuletzt groß medienwirksam im Vorfeld zu ihrer Auszeichnung mit dem Theodor-W.-Adorno-Preis in 2012. Judith Butler bezog immer wieder aus radikal ethischer Perspektive Stellung und baute die Vorwürfe in ihre folgenden Schriften ein.

Zwei blaue, knubbelige Wesen sind zu sehen: Ally mit Bartstoppeln und Lippenstift und Alex mit ein Buch über Pansexualität.

Queeres Leben und Queere Geschichten in den Fokus rücken.

Auch in Deutschlang sorgte sie in den letzten Jahren für Aufsehen: 2010 lehnte sie den Zivilcouragepreis des Berliner CSD ab. In ihrer Rede verwies sie auf die Kommerzialisierung der Veranstaltung und die fehlende politische und gesellschaftliche Unterstützung von mehrfachdiskriminierten queeren Menschen. Seit 2017 gibt es offene Auseinandersetzungen in Medien und wissenschaftlichen Publikationen zischen ihr und Alice Schwarzer. Butler wirft der deutschen Alt-Feministin vor, gerade nach der Kölner Silvesternacht 2016 vermehrt rassischtische Argumente zu vertreten.

Wir lieben Judith Butler,

  • … weil sie ihre radikalen Theorien konsequent bis zum Ende denkt, lebt und vertritt. Dadurch ist sie oft unbequem und vor allem unangepasst. Ihre Analysen und Kommentare treffen dahin wo es weh tut: an eingeschliffene Gewohnheiten, fundamentale Denkweisen und etablierten Machtstrukturen in der Gesellschaft
  • … weil sie die vielleicht wichtigste und bekannteste Philosophin unserer Zeit ist. Und gleichzeitig immer wieder in der Kritik und für einige ein regelrechtes Hass-Thema. Warum? Weil sie unangenehme Sachen sagt, sperrige Texte schreibt und an Machtstrukturen rüttelt. Und sich mit dem beschäftigt, was viele Gesellschaften strukturiert und bestimmt: Körper und Geschlecht.
  • … weil sie sich als Theoretikerin und Aktivistin für Menschen einsetzt, die von der Gesellschaft zu oft ungehört bleiben. Damit ist sie eine Vorreiterin für queeren Feminismus und mehr Sichtbarkeit von queeren Lebensweisen.

Warum liebst du Judith Butler?

Verrate es uns doch in den Kommentaren.

Judith Butler sagt: »Very masculine and feminine roles are not biologically fixed but socially constructed.«

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